Junges Engagement
Junges Engagement in Deutschland und Europa steigt. Mehr Jugendliche engagieren sich für gemeinnützige Zwecke. Das geschieht sowohl im ehrenamtlichen Bereich als auch bei der späteren Studienwahl oder Jobsuche. Laut einer Studie der Universität Tübingen und dem Comenius Institut, engagiert sich sogar fast jeder zweite junge Erwachsene ehrenamtlich. Von denen, die sich nicht ehrenamtlich engagieren, gibt zumindest die Hälfte an, dass sie dazu bereit wären. Die häufig propagierten Millennial-Klischees besagen, dass junge Leute auf eine schnelle Karriere und großes Freizeitvergnügen fixiert sind. Stattdessen sind sie aber nicht nur an einem Job interessiert, der die Rechnungen bezahlt, sondern setzen auch den Sinn ihrer Arbeit sehr hoch auf ihre Kriterienliste.
Während es in erster Linie darum geht, zu helfen oder etwas beizutragen, hilft freiwilliges Engagement z.B. während der Studienzeit auch bei der gesellschaftlichen Integration und der Weiterentwicklung von individuellen Kompetenzen. Besonders wichtig ist laut der Studie von Christina Möller und Heike Rundnagel, die bereits im vorigen Newsletter rezensiert wurde, hierbei auch der Wissenstransfer und die Verbindung zwischen Hochschulen und Zivilgesellschaft. Da das Studium oft sehr theoretisch ist, wagt man mit seinem Engagement einen Blick über den Rand seiner Bücher.
Grund für das Engagement ist vielleicht auch die Dringlichkeit einiger gesellschaftlichen Themen. Junge Menschen haben gemerkt, dass für einen Lösungsansatz für aktuelle Krisen wie die Flüchtlings- oder Klimakrise scheinbar nicht ohne eigene Anstöße gesorgt wird. Für viele beinhaltet das Engagement auch Spenden. Leider fehlt oft die Nähe zu größeren, internationalen Organisationen, die sich z.B. häufig für Entwicklungshilfe engagieren. Damit geht oft eine Unsicherheit einher – Wo gehen meine Spendengelder eigentlich hin und wie viel davon wird für bürokratische Abläufe genutzt? Besonders auf lokaler Ebene kommt dann die Frage auf: Für wen engagiere ich mich überhaupt? Oft hört man in den Nachrichten von Verschwendung von Spendengelder und unkoordinierter bzw. unnötiger Hilfe, auch das schwächt das Vertrauen in etablierte Organisationen.
Die Bertelsmann Stiftung hat gezeigt, dass das Engagement von jungen Menschen im Schulalter vor allem auf lokaler Ebene stattfindet, wie z.B. in Sportvereinen. Hierbei gilt, dass mit größerem Gestaltungsfreiraum der Jugendlichen auch ihre Identifikation mit der Tätigkeit wächst und sie bereit sind mehr und schwierigere Aufgaben zu übernehmen. Dieses Engagement endet häufig, wenn die Schule vorbei ist und die Jugendlichen aus ihrem vertrauten Umfeld wegziehen. Die Motivation zum Engagement sinkt, wenn es nicht mehr sinnvoll mit aktuellen Lebensverhältnissen verknüpft werden kann. Das gilt auch besonders mit Hinblick auf die verkürzte Schulzeit und das fordernde Bachelor- und Master-Studium.
Während viele sich zu Beginn für lokale Zweige von größeren Organisationen engagieren, geschieht es immer häufiger, dass junge Erwachsenen ihre eigene Organisation gründen. Junge Engagierte möchten ihre eigenen Ideen mit einbringen und ihre konkreten Vorstellungen verwirklichen. Es ist vor allem der Wunsch nach direkten, übersichtlichen und schnell umsetzbaren Lösungen, der in anderen Organisationen nicht erfüllt worden ist. Diese Motivation hat mich auch dazu geführt das KRF (KinderRechteForum) zu gründen.
Selbst-Organisation
Als ich nach meinem Engagement bei UNICEF das KRF gegründet habe, wollte ich vor allem aus klassischen Strukturen ausbrechen und freier und flexibler in meiner Arbeitsweise sein. Das KRF ist eine gemeinnützige Organisation mit Sitz in Köln und setzt sich seit 2014 für die Verwirklichung von Kinderrechten ein. Heute unterstützen rund 25 Mitarbeiter diese Vision. Individuelle Hilfe, Förderung von Engagement und Lobbyarbeit sind dabei die drei Grundpfeiler unserer Tätigkeit. Die Motivation und Unterstützung junger Menschen ihre eigenen Projekte aufzubauen und durchzuführen, bildet den Kern des Bereichs Engagementförderung. Beispielsweise durch Jugendgipfel werden die Kinder und Jugendlichen über Engagement aufgeklärt, dazu motiviert ihre Interessen zu vertreten und eigene Ideen zu entwickeln.
Leider lassen sich persönliche Idealvorstellungen manchmal aufgrund der begrenzten finanziellen Mitteln nicht umsetzen. Trotzdem bietet sich mit einer eigenen Organisation die Möglichkeit einer autonomen Arbeitsweise, die man in etablierten Organisationen schlichtweg nicht hat. Die Unabhängigkeit von Dachverbänden oder verschiedenen Vereinen ermöglicht, sich von festgefahrenen Strukturen zu lösen und Aspekte neu zu denken. Neben den strukturellen Vorteilen hat man auch die Chance zur Selbstverwirklichung und zur Weiterentwicklung seiner eigenen Fähigkeiten. Das Gründen einer Organisation bietet eine unvergleichliche Berufs- und Lebenserfahrung. Des Weiteren bietet eine eigene Organisation eine Nähe zu relevanten Themen, die man von Organisationen mit einem hohen Level von Bürokratie und Aufgaben-Delegation nicht kennt. Es ist schön, den Effekt seiner eigenen Arbeit direkt beobachten zu können. Das Gefühl von Leidenschaft und Begeisterung für die eigene Arbeit, ist nicht zu unterschätzen. Diese Nähe entsteht besonders wenn man sich als Organisation nicht auf internationale Hilfe konzentriert, sondern sich lokal engagiert. Eine eigene Organisation bietet die Möglichkeit etwas Einzigartiges zu schaffen und man wird angetrieben von der eigenen Motivation.
Aufgewachsen mit sozialen Medien und der Schnelllebigkeit des Internets, schaffen es junge Gründer schnell, die Sichtbarkeit und Popularität ihrer Organisation zu vergrößern. Auch wenn größere Organisationen gelernt haben, sich auf sozialen Medien eine Plattform zu erschaffen, schaffen es junge Engagierte schneller den Dschungel aus Apps und Accounts zu ihrem Vorteil und dem Vorteil der Organisation zu nutzen. Während größere Organisationen oft hohe Ausgaben für Werbung jeglicher Art haben, nutzen junge Leute online Angebote, die gratis sind und bleiben dabei auch zum großen Teil digital. Neue Medien helfen auch die Arbeit in einer immer mobiler werdenden Arbeitswelt zu vereinfachen und Personal zu koordinieren. Mit einer modernen Herangehensweise werden vor allem auch junge potentielle Engagierte oder Spender erreicht. Studien zeigen, dass 44% aller Spenden von Menschen die älter als 50 Jahre sind, geleistet werden. Das erklärt natürlich auch weshalb es klassischen Organisation oft am Willen zur Innovation mangelt.
Das Gründen einer eigenen Organisation war und ist für mich eine große Herausforderung, die es sich lohnt anzugehen. Man erfährt eine Freiheit zur Umsetzung, die man in größeren Organisationen nicht hat, kann seine eigenen Projekte auswählen, bearbeiten, und auch umgesetzt sehen.
Kooperation und Förderung
Trotz der Vorteile, die eine eigene Organisation mit sich bringt, gibt es auch gute Gründe weshalb Verbände und Vereine und größere Organisationen eine wichtige Rolle spielen. Zum einen bringen sie über Jahre gesammelte Erfahrung mit sich. Größere Verbände bieten auch oft ein tolles Netzwerk und man erfährt viel gegenseitige Unterstützung. Sie repräsentieren außerdem eine Kontrollinstanz und geben einem einen gewissen Rahmen seiner eigenen Möglichkeiten. Besonders was die Förderung angeht, verlassen sich größere Spender und Unterstützer oft auf einen großen und bekannten Namen. Dies erhöht die Sichtbarkeit und Wichtigkeit der Spende. Darum ist es häufig notwendig sich größeren Verbänden anzuschließen. Es handelt sich beim Umgang mit anderen Organisationen in meiner Erfahrung vor allem um einen Lernprozess. Ab einem gewissen Grad muss man feststellen, dass es ohne den Zusammenschluss mit und die Unterstützung von Anderen schlichtweg nicht funktioniert. Trotz des Wunsches nach vollständig eigenständiger Arbeit, haben wir selbst nun beschlossen Teil der Arbeiterwohlfahrt (AWO) zu werden. Dies eröffnet uns Möglichkeiten mit Bezug auf Fördermittel, Netzwerk, Glaubwürdigkeit und Reputation, die eine kleine Organisation alleine nicht hat. Schön wäre es, wenn sich Förderer die Zeit nähmen, um sich nach anderen Möglichkeiten umzuschauen, statt die Spenden an den nächstgrößeren Namen zuzuteilen.
Ich möchte anderen jungen Engagierten mitgeben, dass man oft beharrlich sein muss. Ich habe zum Beispiel beim BBE auf der Mitgliederversammlung im November 2018 einen Antrag gestellt, ein neues Themenfeld Junges Engagement einzurichten und auch sofort für die Themenpatenschaft kandidiert. Auch wenn es eine Weile gedauert hat, ist der Antrag schlussendlich bearbeitet und angenommen worden. Man muss konkrete und genaue Vorschläge liefern und etwas Geduld für deren Umsetzung mitbringen. Auch wenn es zu Beginn mehr Arbeit für einen selbst bedeutet, lohnt es sich für neue Impulse bei größeren Organisationen zu sorgen.
Oft ist der Altersdurchschnitt in solchen Organisationen allerdings relativ hoch. Um das zu ändern, habe ich nun auch beschlossen für eine Mitgliedschaft im erweiterten Vorstand der National Coalition Deutschland (Netzwerk zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention) zu kandidieren. Es wäre wünschenswert, dass mehr junge Menschen sich trauen Teil dieser Organisationen zu werden und Mut zur Veränderung mitbringen. Auf der anderen Seite müssen diese Organisationen auch den Raum für Neues bieten und Innovation unterstützen.
Und in Zukunft?
Sowohl kleine, unabhängige als auch große, etablierte Organisationen haben ihre Vor- und Nachteile. Während kleinere Organisationen sich oft lokal engagieren, sind größere oft internationaler aufgestellt. Junge Leute engagieren sich oft zuerst auf lokaler Ebene und es ist wichtig, diese Ebene auch in Zukunft zu betonen und zu erhalten, um Engagement in Zukunft sicherzustellen. Auch in größeren Verbänden und Organisationen wird junges Engagement in Zukunft gebraucht werden, um Innovation voranzutreiben und vorwärts zu denken. Während auf der einen Seite die Möglichkeit zur Selbstverwirklichung und Umsetzung der eigenen Ideen natürlich wichtig ist, sollte man trotzdem nicht vergessen, dass eine zu extreme Verstreuung und Aufsplittung der Organisationen potenziell zu einem Mangel an Effektivität in der Umsetzung der im Grundsatz doch ähnlichen Ziele führen kann. Ich bin stolz auf die eigenständige Arbeit, die das KRF leistet, bin aber auch der festen Überzeugung, dass man zur stetigen Weiterentwicklung Unterstützung von außen braucht.
Dieser Artikel wurde erstmals im BBE-Newsletter für Engagement und Partizipation in Deutschland 17/2019 am 22.08.2019 veröffentlicht.
Üwen Ergün ist Gründer und Geschäftsführer des KRF KinderRechteForum. Seit 2014 berät er neben seinen Aufgaben beim KRF, Ministerien, Regierungen, Kommunen, sonstige politische Organe und Institutionen. Seit 2019 ist er außerdem gemeinsam mit Elisabeth Kaneza Themenpate für das Themenfeld »Junges Engagement«.
Kontakt: bbe@kinderrechteforum.org